Ein Plädoyer
Mit den Stimmen der Grünen, der CDU und SPD verabschiedete der Deutsche Bundestag am 05.03.2021 die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Forderungen aus dem Taxigewerbe, die Parteien sollten das Gesetz noch „nachbessern“, sind etwa so erfolgversprechend, wie der Ruf: „Wir wollen unsern Kaiser Wilhelm wieder haben.“ Da diese drei Parteien die Mehrheit im Bundesrat haben, wird das Gesetz am 26.03.2021 die Ländervertretung ohne irgendwelche Änderungen passieren. Um das zu verhindern und den Vermittlungsausschuss anzurufen, müsste mindestens eine der drei Parteien „gegen sich selber“ stimmen. Jeder kann sich selber ausmalen, wie wahrscheinlich das ist.
Die Novelle des PbefG schafft die Ortskundeprüfung nun auch für Taxifahrer ab. Am 23.08.2017 war sie bereits für Mietwagenfahrer weggefallen. Was die Notwendigkeit von Ortskenntnis anlangt, so herrscht nun Waffengleichheit. Da es Navigationssysteme gebe, brauche man keine ausgefeilte Stadtkenntnis mehr, lautete und lautet die Begründung für den Wegfall der Prüfungen. Statt der Ortskundeprüfung soll nun eine „Kleine Sach- & Fachkundeprüfung für Taxi- & Mietwagenfahrer“ eingeführt werden. Unklar ist noch, welchen Inhalt diese Prüfung haben und vor allem, wer sie abnehmen soll.
Klar ist, dass so eine Prüfung nicht als Zugangsschranke für den Beruf des Taxi – oder Mietwagenfahrers missbraucht werden darf. Allerdings gibt es Kenntnisse, die für die Ausübung dieses Berufs unverzichtbar sind. Ich würde mich sehr unwohl in einer Taxe oder einem Mietwagen fühlen, wenn mein Fahrer die grundlegenden Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht kennt. Damit ist bereits der erste Teil der Prüfung bestimmt: Prüfungskandidaten müssen über wesentliche Aspekte StVO eine einfache Prüfung ablegen. Der Einwand, Fahrer und Fahrerinnen hätten doch einen Führerschein geht am Problem vorbei. Wenn sie den Führerschein haben, dann müssen sie über das Wissen verfügen. Und wenn sie die Kenntnisse besitzen, dann kann und muss man diese auch prüfen können.
Wer Personen befördert muss mit Kunden umgehen. Da die Beförderung gegen Entgelt durchgeführt wird, entsteht ein Rechtsverhältnis. Dafür gibt es Regeln. Im zweiten Teil der Prüfung muss der Kandidat nachweisen, dass er oder sie über die Regeln der Beförderung Bescheid weiß. Das allein reicht aber noch nicht. Wir befördern kein Stückgut, sondern Menschen. Die Fragen für diesen Prüfungsaspekt lauten also: „Wie unterstütze und helfe ich Menschen und sorge dafür, dass sie sich in meinem Auto wohl fühlen und wenn möglich wiederkommen?“ Es gibt nicht nur gute Menschen. Fahrer müssen in der Prüfung also auch nachweisen, dass sie wissen, wie sie Gefahren erkennen können, die von „bösen“ Fahrgästen ausgehen und vor allem, wie sie sich schützen können. In diesem Prüfungsteil wird klar, dass es dabei zwar auch um das Wohlergehen von Fahrgästen geht. Wichtiger ist aber der Schutz des Fahrers und Unternehmers. Der Fahrer soll nicht verklagt oder überfallen werden. Wer diesen Prüfungsteil ablehnt, muss viel erklären.
Was schief gehen kann, geht schief. § 19 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) schreibt vor, dass jeder Mensch einen erste Hilfekurs absolvieren muss, wenn er eine Führerschein haben will. Vielen Führerscheininhabern ist wahrscheinlich nicht klar, dass sie dieses Wissen ständig auf dem neuesten Stand halten müssen. Im dritten Teil unserer „Kleine Sach- & Fachkundeprüfung“ muss dieses Wissen überprüft werden. Es wird selten benötigt. Gerade deshalb muss es ständig trainiert und auf dem neuesten Stand gehalten werden, damit im Ernstfall das Personal nicht dasteht, wie der berühmte „Ochse vor dem Tor“. Der Ernstfall bedeutet Stress. Wer dann nicht auf automatisierte Handlungen zurückgreifen kann, der macht Fehler. Und diese Fehler können tödlich sein.
Im vierten und letzten Teil der Prüfung geht es um die Unfallkrankenhäuser. Jeder Profi weiß, welchen Stress es für Fahrer und Fahrerinnen bedeutet, wenn ein Fahrgast plötzlich bewusstlos wird, wird, wenn er vor Schmerzen schreit, oder wenn sich das Kind einer hochschwangeren Frau auf einmal vorzeitig auf den Weg macht. Den Fahrgast kann man dann nicht mehr fragen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Mehrzahl der Fahrer das nächste Unfallkrankenhaus dann noch ganz entspannt per Navigationsgerät ansteuern kann. Die stressbedingten Fehler lassen sich vermindern, wenn die Fahrer aus jeder Position den Weg zum nächsten Unfallkrankenhaus kennen. Es ist dabei nicht notwendig jede einzelne Straße aufsagen zu können. Fahrer aber, die überhaupt keine Ahnung haben, machen mir jedenfalls Angst.
Wer soll die Prüfung organisieren und durchführen? Die Sach- & Fachkundeprüfung für Unternehmer wird von den Industrie -& Handelskammern abgenommen. Der Fragekatalog dafür wird zentral für ganz Deutschland vom Deutschen Industrie und Handelstag, beziehungsweise von seinen Beauftragten erstellt. Auch die kleine Sach- & Fachkundeprüfung für Taxi- & Mietwagenfahrer soll deutschlandweit gelten. Deshalb bietet es sich an, diese Prüfung ebenfalls von den Industrie- & Handelskammern durchführen zu lassen. Sie besitzen die Erfahrung, sie haben Räumlichkeiten und Personal und sie stehen nicht im Verdacht parteilich zu sein. Ich finde, das sind starke Argumente.
Richard Leipold BTV
Comments